Der Springer muss fliegen…

Bei einem Deutschlandbesuch im Jahre 1991 besuchte Henri Nouwen eine Vorstellung des Zirkus Simoneit-Barum in Freiburg und war völlig hingerissen von der Trapez-Künstler-Companie “The flying Rodleighs”. Seine Begeisterung und Neugier war so groß, dass er sich entschied einige Monate mit der Truppe durchs Land zu ziehen. In einer Tagebucheintragung berichtet er von einem Gespräch, das er mit Rodleigh, dem Leiter der Truppe führte, und was ihn so tief berührte:


Er (Rodleigh) sagte: ”Als Springer muss ich vollkommenes Vertrauen in meinen Fänger haben. Das Publikum mag denken, dass ich der große Star des Trapezes bin, aber der eigentliche Star ist Joe, mein Fänger. Er muss für mich da sein mit der Präzision des Bruchteils einer Sekunde und mich aus der Luft heraus zu packen, wenn ich beim langen Sprung auf ihn zukomme.”

„Wie geht das?”, frage ich.

“Das Geheimnis besteht darin”, sagte Rodleigh, “dass der Springer nichts tut und der Fänger tut alles. Wenn ich auf Joe zufliege, muss ich lediglich die Arme und Hände ausstrecken und darauf warten, dass er mich fängt.”

“Du tust nichts?”, sagte ich voller Überraschung.

“Nichts”, antwortete Rodleigh. “Das Schlimmste, was der, der springt, tun kann, ist zu versuchen, den Fänger zu erhaschen. Meine Aufgabe ist es nicht, Joe zu erhaschen. Es ist seine Aufgabe, mich zu fangen. Würde ich Joes Handgelenke ergreifen, könnte ich sie brechen und das wäre das Ende von uns beiden. Ein Springer muss fliegen und ein Fänger muss fangen – und der Springer muss mit ausgestreckten Armen darauf vertrauen, das ein Fänger da sein wird für ihn.”

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