Der Traum eines Sklaven…

… oder das Dilemma des Sokrates.

»Ich gehe einen einsamen Weg. Ich genieße die frische Luft, die Sonne, die Vögel und das gute Gefühl, daß mich meine Füße dahin tragen, wohin sie wollen.

Am Wegesrand liegt ein schlafender Sklave. Ich trete an ihn heran und bemerke, daß er träumt. Aus seinen Worten und Gesten schließe ich … daß ich weiß, was er träumt: Der Sklave träumt davon, frei zu sein.

Sein Gesicht spiegelt Ruhe und Frieden. Ich frage mich: Soll ich ihn wecken und ihm zeigen, daß es nur ein Traum ist, damit er weiß, daß er immer noch Sklave ist? Oder soll ich ihn schlafen lassen, solang er kann, und ihn – wenn auch nur im Traum – seine imaginierte Realität genießen lassen?«

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„Was ist die richtige Antwort…?“ fügte Jorge hinzu. Ich zuckte die Schultern.
„Es gibt keine richtige Antwort“, fuhr er fort. „Jeder muß darauf seine eigene Antwort finden, und zwar nur bei sich selbst.“
„Ich glaube, ich würde wie angewurzelt vor dem Sklaven stehenbleiben und nicht wissen, was ich tun soll“, sagte ich.
„Ich werde dir einen Hinweis geben, der dir vielleicht irgendwann mal nützlich ist. Wenn du dort wie angewurzelt vor ihm stehst, schau ihn dir genau an. Sollte ich der Sklave sein, der da liegt, dann zögere nicht: Weck mich auf!

(Quelle: Jorge Bucay in Komm, ich erzähl dir eine Geschichte)

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